Das Atelier
Der Zusammenhang zwischen Atelier und Porträt
Ebenfalls innerhalb des Prinzips der Bildzyklen gefertigt, steht die Reihe der „Atelierbilder“, wobei hier jedoch zwischen den einzelnen Arbeiten oftmals Zeiträume von mehreren Monaten, ja sogar Jahren stehen. Anhand dieser Bilder ist nun Staudingers „Porträt“-begriff zu erklären, da er hier erstmalig jene signifikante Formensprache ausbildete, die er zum Postulat für seine weiteren Arbeiten erhob und die deswegen einer näheren Betrachtung bedarf. In den Atelierbildern verewigte Staudinger junge Mädchen und Frauen, von denen er persönliche Beeinflussung unterschiedlichster Natur erfahren hatte.
Er bat sie jeweils zu Porträtsitzungen in sein Atelier, wobei es ihm in der künstlerischen Umsetzung weder um Realitätstreue noch um naturalistische Wiedergabe ging. Er verwendete bei all diesen Porträts einund dasselbe, formal auf die Umrisse und Hauptmerkmalereduzierte Gesicht, einen weiblichen Kopf mit hellem lnkarnat,meist roten Haaren, stark dunkel konturierten Augen, sowieausgeprägten, vollen Lippen.
Erst eine eingehende undvergleichende Betrachtung der Bilder zeigt, dass der Künstler mit sparsamst eingesetzem Pinselgestus Differenzierungen innerhalb dieser Gesichter vornahm. Ist es einmal der unterschiedliche Schnitt der Augen oder der Nase, ist es einmal die unterschiedliche Betonung der Schädelkontur oder ein anders ausgeführter Haaransatz, so sind gerade diese minimalistischen Veränderungen das, was die Gesichter voneinander unterscheidet, sie somit einmalig macht, im Sinne eines uns verständlichen Porträtbegriffes. Es scheint, als ob der Künstler von einem Ursymbol desWeiblichen, dem lnbegriff einer für ihn begehrenswerten Frau ausgeht, um dann erst, ohne jedoch sich vom Ausgang allzuweit zu entfernen, individuelle Anpassungen vorzunehmen.
Ein weiteres Porträtmerkmal stellt in diesen Bildern die Proportion der Figurgröße, zu dem sie umgebenden dargestellten Atelierraum dar. Das Figur-Raum-Verhältnis symbolisiert die mentaleAuseinandersetzung in der Beziehung der Dargestellten zu Axel Staudinger als Künstler.
Je größer die Porträtierte imVerhältnis zum Atelier dargestellt ist, umso größer war auch ihr Bezug zur Arbeit der Künstlers, umso größer der gegenseitige Diskurs darüber.
Die Porträts, von Giacometti bereits in dessen Annettebildern thematisiert, sind auch bei Staudinger nicht nur Belege von erlebten Beziehungen, sondern künden vielmehr vom Wunsch,die Kunst in das eigene Privatleben bis hin in jenes der Partner zu integrieren, ja die Partnerschaft selbst als Teil des Schaffensprozesses mitanzuerkennen.
Text zur Werkmonografie von Dr. Michaela Schuster Preiner.




Die Atelierbilder Über mein Atelier
Es kommt darauf an, ob ein Künstler mit seiner Kunst lebt. oder von ihr, Dies erscheint nur im ersten Augenblick widersprüchlich Natürlıch soll die Arbeit ihren Schöpfer ernähren,sie wird ıhn aber ersetzen, wenn er nicht mehr ist. Quasi eine Transformation der lebendigen Anwesenheit des Künstlers auf dieser Welt, die vergänglıch ist- hin zu leblosen, aber unvergänglichen Bruchstucken eines Lebenswerkes. Der Ort an dem dies geschieht, ist meist das Atelier (Meist, da Künstler, die den obigen Anspruch an ıhr Werk nicht stellen, auch keinen derartigen Bezug zu ihrem Atelier haben ). Nach meiner Definition ist dieser Raum eine Gebärmutter, die sich selbst befruchtet und in immer neuer Gestalt gebiert. Die Ruckstände dieses Prozesses sammeln sich in Form von Bildern und Skulpturen an einem Ort an und definieren so einen Raum -das „Atelier“. Daher glaube ich, dass man eher 100 Menschen mit identischen Genen findet, als ein Atelier das einem anderen gleicht.
Verschiedener als die Werke, die die Künstler hervorbringen, sind die Orte an denen dies Geschieht. Sie sind authentischer, einzigartiger und beachtenswerter als das was in ihnen produziert wird. Nicht nur der Künstler erfährt eine Transformation, sondern auch sein Atelier wird vom lebendigen Gebilde einer Gebärmutter zum Mausoleum oder zur Kathedrale des Wirkens des Künstlers.
Ein Atelier ist ein Raum, der sich durch seinen Inhalt definiert, also durch die Stoffwechselprodukte des Transformationsprozesses vom Künstler, hin zu seinem Lebenswerk -nicht durch die Architektur die ihn umgibt. So ein Raum, unterliegt keinerlei ästhetischer, gestalterıscher oder formaler Ordnung.
Er organisiert sich ständig neu, je nach funktionaler Anforderung. Ich stelle mir diese Selbstorganisation vor, wie die statische Anpassung an veränderte Belastungen, innerhalb eines menschlichen Knochens, durch die ihn bildenden Knochenzellen Ein Bild oder eine Skulptur verändern den Raum nicht nur durch ihre bloße Existenz, sondern auch durch die Ordnung, in die die anderen Raumbestandteile gebracht werden müssen, um ein neues Werkstück herstellen zu können.
Nicht zuletzt beeinflusst auch der neue lst-Zustand den nachdenkenden Künstler und erscheint auf Atelierbildnıssen. Mein Atelier dient zur Herstellung von Bildern, Skulpturen, Objekten , dh. dass mehrere Arbeitsvorgänge, die einander ausschließen, zwar nicht gleichzeitig, aber prinzipiell jederzeit , möglich sein müssen. Die einzelnen Werke bewirken einander, zwingen mich quasi in ein ständiges Wechselspiel von agieren und reagieren. Der Raum in meinem Atelier ist ständig im Fluss - erstarrt erst mit meinem Tod, ist nur fassbar als blıtzlichtartige Kristallisation des Augenblicks meines Verschwindens. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Wände, die mein Atelier umhüllen das einzig unveränderliche an diesem Gebilde. Nicht was dort passiert ist das wunderbare, sondern dass es gerade dort passiert und nur dort passiert, macht aus einem Kellerabteil mein Atelier.
Mein Atelier ist das Gegenteil eines Architekturbüros! In einem Architekturbüro werden Ideen geboren und mittels Plänen nach aussen getragen und dort verwirklicht, wo sie dann auch bleiben. In mein Atelier werden aber genau umgekehrt, Ideen, die draussen entstanden sind, hineingetragen und drinnen realisiert, wo sie durch ihre blosse Existenz einen Raum definieren. Ich arbeite inmitten der Geborgenheit meiner bisherigen Arbeiten und erkenne mich durch sie! Dieses fehlen von Geborgenheit kompensieren Architakten durch das Sammeln von Modellen und Fotografien ihrer Bauten. Mir als Künstler wiederum kann es passieren, dass ich mich durch mein Atelier geistig im Kreise drehe und auf diese Weise kreativ im eigenen Saft schmore! Der Architekt beginnt jede Bauaufgabe relativ unbelastet und muss außerdem immer neue Funktionen in seinen Gebäuden ermöglichen.
Text: Axel Staudinger“, Aus einem Referat an der TU-Graz, 1998











